Werk, Quelle, Analyse, Chansonnier Nivelle de la Chaussée

Originally published in:
Quellenstudium und musikalische Analyse. Festschirft Martin Just, Würzburg 2001, pp. 1-22.

Werk, Quelle, Analyse: Betrachtungen zum Chansonnier Nivelle de la Chaussée

Schon ein oberflächlicher Blick über die Abfolge der Chansons im Chansonnier Nivelle de la Chaussée1 zeigt einige offenkundige Beziehungen zwischen den jeweils ersten Textversen2. So folgen unmittelbar aufeinander Pour le mal quon vous fait porter (f.9°-10)3 und Pour les biens quen vous je parcoy (£ 10″-l 1), oder Puisque vous estez campieur von Dufay (f. 15v-16) und Puisqua vous servir me suis mis (f. 16v-17). In einer der poetischen Reimfolge ähnlichen Weise sind drei Chansons von Delahaye4 gruppiert (f. 29°-32):
Pu i s q u aultrement ne puis avoir
Po u r les regretz que jay que ne vous voy
P u i s q u il convient que le depart se face
Nachdem offenbar die ersten Worte „pour” und „puisque” bei der Gruppierung eine Rolle spielen, kann man eine weitere Beziehung vor der erwähnten Gruppe Pour le mal – Pour les biens entdecken. Die Bergerette Se je demeure despourveue hat als ersten Vers ihrer Gegenstrophe5 „Puisque dieu a voulu”. Diese Hinweise sollen hier genügen, ohne auf die genaue Bedeutung der Textverknüpfungen schon weiter einzugehen. Es waren diese ersten Hinweise in Nivelle, die mich bei der Edition und der Analyse des Chansonniers Laborde6 zu einer bisher fast gänzlich vernachlässigten Fragestellung brachten: Nach welchen Gesichtspunkten wurden im Bereich der Loire-Chansonniers7 die Stücke zusammengestellt? Es ist natürlich angesichts der Forschungen über Laborde besonders wichtig, bei Nivelle als sicherlich frühestem der Loire-Chansonniers zu untersuchen, ob schon in diesem Stadium eine ähnliche Ratio für die Zusammenstellung der Stücke herrschte wie in Laborde. Dabei dürfte es sich bei Laborde um einen Endpunkt handeln, da die höchst kunstvolle Verflechtung und Gruppierung der Chansons nach regelrechten Kapiteln vermutlich ihresgleichen sucht. Hier gehen die Beziehungen so weit, daß z.T auch die Reime aufeinander abgestimmt sind bzw. neue Stücke für Laborde im Hinblick auf die Gruppierungskriterien entstanden. Die meisten Textvarianten in Laborde kann man direkt mit der Anpassung an die umliegenden Texte erklären.

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